Teil 1 Wasserstoff – der Treibstoff der Zukunft?

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Hydrogen tanks

COP27 – Einblicke in den Weg zu Netto-Null

Während sich die Staats- und Regierungschefs der Welt auf die im nächsten Monat stattfindende UN-Klimakonferenz COP27 vorbereiten, erörtern wir einige der großen Probleme, die dringend Maßnahmen erfordern, um den Übergang zu Netto-Null voranzutreiben. In unserer neuen Serie Der Weg zu Netto-Null beschäftigen sich unsere Experten mit Wasserstoff, Kohleübergang, sauberer Kühlung, einer gerechten Umstellung und Aspekten jenseits der Wertschöpfungskette. Wir werden unsere Ansichten zu den jeweiligen Herausforderungen und Chancen austauschen und Beispiele für konkrete Lösungen vorstellen, die uns helfen, den Weg in eine kohlenstofffreie Zukunft zu beschleunigen. Wir beginnen mit dem ersten Teil eines dreiteiligen Überblicks über das Potenzial von Wasserstoff, die Hindernisse für seinen Einsatz und wie diese überwunden werden können.

Wir dürfen nicht vergessen, dass sich die Energiekrise vor dem Hintergrund zunehmend extremer Klimaereignisse ereignet, die seit 2008 jedes Jahr durchschnittlich 22,5 Millionen Menschen vertrieben haben1. Mehr als 70 Länder haben sich Netto-Null-Ziele gesetzt, was bedeutet, dass die Dekarbonisierung nicht von unserer Agenda verschwinden darf3. Sauberer Wasserstoff – entweder durch Elektrolyse mit erneuerbarem Strom oder Erdgasreformierung mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung hergestellt – wird besonders entscheidend für die Dekarbonisierung von Sektoren sein, in denen eine Elektrifizierung nicht möglich oder zu kostspielig ist, wie z. B. im Fernverkehr und in der Industrie. 


Da die Gaspreise in vielen Ländern in die Höhe schießen (z. B. in Großbritannien sind die Gaspreise zehnmal höher als im Jahrzehntdurchschnitt2), ist die Zeit für Innovation und Kostensenkung reif. Die Auswirkungen der Energiekrise werden sich nicht auf steigende Rechnungen für Haushalte beschränken, da Stahlhersteller, Chemiefabriken und Hersteller alle die Auswirkungen steigender Energiepreise spüren. Wasserstoff wird durch Elektrolyse oder Biomassevergasung hergestellt und bietet damit eine heimische Alternative, die nicht den globalen Märkten für fossile Brennstoffe ausgeliefert ist. Er wird daher zu einer zunehmend praktikablen Option für angeschlagene Sektoren. 


Während die Sicherheits- und Umweltvorteile von Wasserstoff weithin anerkannt sind, ist der Beitrag, den er zu einem künftigen Energiesystem leisten kann, weniger bekannt. Systeme, die von variablen erneuerbaren Energien dominiert werden, erfordern ein höheres Maß an Flexibilität, Energiespeicherung, Integration erneuerbarer Energien und Systemresilienz. Wasserstoff kann all dies bieten:  

  • Flexibilität – durch den Anschluss erneuerbarer Energien an Elektrolyseure in Zeiten, in denen die Erzeugung die Nachfrage übersteigt, kann Wasserstoff als Reaktion auf diese veränderten Erzeugungs-/Verbrauchsmuster erzeugt werden. 
  • Energiespeicherung – Elektronen lassen sich nur schwer über einen längeren Zeitraum speichern. Durch die Umwandlung von Strom in Wasserstoff kann im Sommer Energie gewonnen werden, wenn die Erzeugung erneuerbarer Energie ihren Höhepunkt erreicht, und für den Winter gespeichert werden.
  • Systemresilienz – Wasserstoff kann als Brennstoff für Spitzenlastkraftwerke verwendet werden, die in Zeiten hoher Nachfrage eingesetzt werden. 
  • Integration erneuerbarer Energien – durch die Umwandlung erneuerbarer Energien in Wasserstoff entsteht die Möglichkeit, erneuerbare Energie als Molekül und nicht als Elektron in das Energiesystem einzuspeisen. Damit könnten Netzengpässe und Übertragungsverluste überwunden werden.

Aufgrund der Vielseitigkeit von Wasserstoff als Energievektor kann er dazu beitragen, diese dreigliedrige Herausforderung zu bewältigen – Energiesicherheit, Dekarbonisierung und Energiesystemresilienz. Jedoch ist er keine Wunderwaffe. Studien zeigen, dass Wasserstoff ein indirektes Treibhausgas ist, obwohl er bei seiner Verwendung kein Kohlendioxid freisetzt, sondern mit Treibhausgasen in der Atmosphäre reagiert und deren Treibhauspotenzial erhöht4


Jegliches Austreten von Wasserstoff in die Atmosphäre während der Produktion, Speicherung und Verteilung führt folglich zu einer indirekten globalen Erwärmung. Wir müssen daher mit Vorsicht agieren und die hohen Kosten und Hindernisse für seinen Einsatz von Wasserstoff mit gezielten Innovationen angehen, um sicherzustellen, dass er optimal in unsere Energiesysteme integriert wird. 


Im zweiten Teil unserer Reihe mit Einblicken in die Welt des Wasserstoffs werden wir uns mit den Hindernissen befassen, die seiner Einführung im Wege stehen – technische, rechtliche und wirtschaftliche. Nur wenn wir diese Hindernisse analysieren und beseitigen, können wir das Potenzial von Wasserstoff nutzen.
 


Referenzen: 
1 National Geographic, „The Influence of Climate Change on Extreme Environmental Events“, 2022. The Influence of Climate Change on Extreme Environmental Events | National Geographic Society.
2 ICE Futures Europe, „UK Natural Gas Futures“. UK Natural Gas Futures | ICE (theice.com)
3 Vereinte Nationen, „For a liveable climate: Net-zero commitments must be backed by credible action“. Net Zero Coalition | Vereinte Nationen.
4 Frazer-Nash Consultancy, „Fugitive Hydrogen Emissions in a Future Hydrogen Economy“, Department for Business, Energy & Industrial Strategy, 2022. Fugitive hydrogen emissions in a future hydrogen economy – GOV.UK (www.gov.uk).